Filmkritik: Truman & Tennessee: An Intimate Conversation
Von Lena Hortian
Wie dokumentiert man Literatur? Wie dokumentiert man eine Persönlichkeit hinter Literatur? Wie präsentiert man die Gemeinsamkeiten zweier Literaten in nur einem Film? Lisa Immordino Vreeland beantwortet nicht nur diese Fragen in Truman & Tennessee: An Intimate Conversation (USA 2020).

Sie illuminiert neben den Persönlichkeiten von Truman Capote und Tennessee Williams vor allem die Parallelen und Interaktionen der beiden. Neben Fotos und Briefen lassen vor allem Interview-Sequenzen die beiden 1983 verstorbenen Literaten kurzzeitig lebendig erscheinen. Durch das Herausgreifen und die parallele Montage nahezu identischer Settings und Fragen in stets getrennten Interviews wird die Eigenständigkeit, aber zugleich auch die Nähe der beiden zueinander deutlich. In einem technischen Kontrast dazu stehen Voice-over Kommentare aus der Sicht der beiden Künstler, für die der Schauspieler Jim Parsons Truman Capote seine Stimme leiht und Zachary Quinto die Perspektive von Tennessee Williams spricht. Der doch deutliche Unterschied zwischen den Stimmen, der Aussprache und der hochwertigeren Aufnahmemodalitäten stellt einerseits Nähe zu den Rezipierenden her, vergrößert andererseits jedoch die Distanz zu den historischen Persönlichkeiten. Auf diese Weise wird ein dritter Protagonist etabliert, der auf nahezu allen Ebenen des Films zu Tage tritt: die Materialität.
Durch die klaren, deutlichen und stimmlich abweichenden Kommentare der Schauspieler wird der Dokument-Charakter der Interview-Aufzeichnungen betont. Sprachliche Metaphern wie die Beschreibung eines Literaten als Auster, in der aus einem Sandkorn eine Perle reift, wird auf bildlicher Ebene mit Aufnahmen eines wellenüberspülten Strandes aufgegriffen. Insgesamt ist die Bildebene dominiert von Überblendungen, die teilweise sehr lange andauern und dadurch beide gezeigten Einstellungen verschleiern. Genauso sind trotz erhaltenen Interviews, Werken und Briefen die Persönlichkeiten von Capote und Williams nicht klar zu erkennen. Der Fokus mäandert zwischen den Personen, den Lebenssituationen und ihren Werken, wodurch der Film eine biographische Interpretation einiger Werke und mancher Figuren nahelegt. Dass beide Künstler Teile ihrer Namen änderten, offen homosexuell lebten, zeitweise an vielen Orten der Welt zuhause waren und familiäre Probleme mit Drogen betäubten, denen sie letztlich kurz nacheinander erlagen, wird durch die Montage als synchron und zugleich diachron suggeriert.
Auch in Bezug auf die geschaffene Literatur wird die Materialität im Film verhandelt: Gezeigte Ausschnitte von privaten Briefen und Entwürfen können einen Perspektivwechsel zwischen Capote und Williams markieren, einige Zitate aus ihren Werken werden auch als Texte eingeblendet und referiert, die überwiegende Zahl der Literaturverweise gehen jedoch auf einen medialen Übersetzungsprozess zurück: Besonders prägnante Passagen aus den Werken werden mittelbar durch ihre jeweiligen Verfilmungen präsentiert. Durch die Montage von Interview-Sequenzen, in denen die beiden Schriftsteller ihren jeweiligen Einfluss auf die Verfilmungen betonen, wird diese Art der Präsentation von Literatur innerhalb der Dokumentation hervorgehoben. Die Erinnerung der Zeitgenossen, der Rezipierenden und der Künstler selbst an die Werke wird so über ihre Festschreibung in Textform gehoben. Ebenso wie Williams formulierte: ‚The play is memory.‘ (05:57, Williams/Quinto), so erinnert auch dieser Film von Lisa Immordino Vreeland an die beiden Künstler und ihr Verhältnis zueinander. Die Regisseurin und ihr Team haben gezeigt, dass sich nicht nur Literatur filmisch dokumentieren lässt, sondern auch, dass sich innerhalb dieses Mediums Text, Ton und Interaktion verhandeln und vereinen lassen.