Filmkritik: Menschliche Dinge
Von Pauline Peters
Persönliche Grenzen und eine Grenzüberschreitung. Handlungen und Konsequenzen, damit befasst sich Menschliche Dinge (2021) von Yvan Attal.

Das Drama bietet einen neuen Blickwinkel auf die #metoo-Bewegung, die in diesem Jahr bereits seit fünf Jahren besteht und zeigt dabei, wie sich das Leben zweier Familien nach einer schicksalhaften Nacht verändert. Die Handlung des Films beruht auf dem gleichnamigen Roman von Karine Tuil, wobei sich die Handlung ihres Werks an einem realen Verbrechen orientiert. Regisseur Yvan Attal inszeniert ein Justizdrama, dass sich mit der Anschuldigung einer Vergewaltigung befasst und die daraus resultierenden Konsequenzen aufzeigt. Ein mitreißender Film, der unweigerlich auch die Frage nach den eigenen Grenzen aufmacht.
Belastende Anschuldigungen
Ben Attal spielt den charismatischen Studenten Alexandre, der für ein paar Tage seine Eltern in Paris besucht. Seinem Vater Jean soll eine Auszeichnung für seine Arbeit als Fernsehjournalist überreicht werden und auch Alexandres Mutter Claire steht in der Öffentlichkeit, lebt allerdings getrennt von Alexandres Vater. Alexandre lernt im Rahmen eines Abendessens den neuen Mann, Adam, an der Seite seiner Mutter kennen. Dabei trifft er auch auf seine 16-jährige Tochter Mila, die hoch emotional von Suzanne Jouannet porträtiert wird. Nach dem gemeinsamen Dinner nimmt Alexandre die junge Mila mit zu einer Party. Am Tag darauf weckt ihn ein Klingeln, die Polizei steht vor der Haustür, denn Mila hat gegen Alexandre Anzeige erstattet und beschuldigt ihn der Vergewaltigung. Beide Eltern Alexandres halten die Anschuldigung für haltlos und sind geschockt von der Situation. Alexandre wird jedoch sofort verhaftet und muss sich nun den Konsequenzen stellen. Adam steht unterdessen seiner Tochter bei, die ebenfalls von den Ereignissen sehr mitgenommen ist. Der Fall wird nun vor Gericht behandelt, wo beide Familien für ihr Recht kämpfen.
Die Frage nach Konsens
Der Film wirft die Frage nach Grenzen auf und wo sich diese befinden. Ganz persönliche, aber auch generelle Grenzen werden thematisiert. Ab wann kann von einem sexuellen Übergriff gesprochen werden? Was macht Konsens aus? Fragen unserer Zeit, die sich auch in Menschliche Dinge wiederfinden. Dabei werden zwei Familien gezeigt, wie sie kaum unterschiedlicher nicht sein können und die Zuschauer und Zuschauerinnen werden auf eine Reise auf den Weg zur Gerechtigkeit mitgenommen. Dabei schaffen es beide Handlungsstränge das Publikum zu fesseln und für sich zu gewinnen, so dass man bis zum Schluss zwischen den Fronten steht.
Eine emotionale Reise
In ihrer Rolle brilliert besonders Suzanne Jouannet, die die junge Mila spielt. Aber auch Ben Attal schafft es das Publikum mit seiner charismatischen Darbietung des Alexandres in den Bann zu ziehen. Beide Figuren bestechen mit ihrer emotionalen Tiefe und schaffen es mit dieser Vielschichtigkeit das Publikum für ihre jeweilige Geschichte einzunehmen. Dennoch weist der Film gerade in der zweiten Hälfte Längen auf, die besonders im Rahmen der Gerichtsverhandlung deutlich werden. Hier zeigt sich der Film als klassisches Gerichtsdrama und kann nicht mit seiner sonst so emotionalen Figurendarstellung punkten.
Insgesamt schafft Yvan Attal es ein emotional anspruchsvolles Drama zu inszenieren, bei dem sowohl die Sichtweise von Kläger als auch von Richter nicht zu kurz kommen. Die Charaktere sind hochkomplex und nehmen das Publikum mit auf eine emotionale Reise, an dessen Ende jede und jeder für sich selbst Schlüsse ziehen kann und muss.