Filmkritik: Lady Boss – The Jacky Collins Story
Von Carlotta Aupke
Lady Boss statt Girl Boss – Jackie Collins erwacht in Laura Fairries Dokumentation zum Leben

Lady Boss: The Jackie Collins Story ist nicht nur eine Geschichte, die erzählt, wie eine Frau sich in den 80ern ein eigenes Imperium aufgebaut hat, nein, es ist die Geschichte einer Frau. Es ist eine Geschichte über die Karriere und über das Leben. Jackie Collins ebnete mit ihren feministischen Romanfiguren den Weg für viele Frauen, nicht zuletzt für Laura Fairrie, die nun mit Lady Boss ihrem Teenie-Idol etwas zurückgibt. Denn nicht nur Karriere machen ist als Frau geprägt vom unterschätzt werden und dem sich behaupten müssen gegen Männer. Eine private Seite, die zuvor nie wirklich beleuchtet worden war, kommt in Laura Fairries Dokumentation endlich zum Vorschein.
Nachlass einer Ikone
Die Hollywood-Autorin, welche 2015 verstarb, wird heute wieder lebendig in einem Mix aus u. a. Interviews mit Freunden und Verwandten, Ausschnitten aus den Verfilmungen ihrer Romane wie denen der Santangelo-Reihe, privaten Videoaufnahmen und ihren Tagebucheinträgen. Lady Boss: The Jackie Collins Story rekonstruiert den Lebensweg der Schriftstellerin und schafft es dabei, tiefe Einblicke in ihr Werk und Privatleben zu geben. So ist auch die chronologische Anordnung der im Film dargestellten Lebensabschnitte kein negativer Kritikpunkt, denn die verschiedenen Gestaltungselemente sorgen für einen abwechslungsreichen Erzählfluss. Das Publikum erhält Einblicke in die Kindheit der Autorin, die Beziehung zu ihrer Schwester, in ihre Karriere, ihren Weg nach oben, in ihre Rolle als Mutter und als Ehefrau und final auch in ihre letzten Tage bevor sie am Krebs verstarb. Alle Facetten des Lebens werden angesprochen und sinnvoll in das Gesamtbild eingebunden.
Jackie Collins war in den 80er Jahren durch diverse Romane, die das Leben als Frau thematisierten, in Großbritannien berühmt geworden. Ihr erfolgreichster Roman war Hollywood Wives und handelte, wie der Titel schon andeutet, von den Frauen des damaligen Hollywoods. Die Dokumentation verdankt ihren Namen dem Roman Lady Boss. Der Durchbruch kam für Jackie nach ihrem Umzug in die USA. Zuerst bekannt als die kleine Schwester des Denver-Clan-Stars Joan Collins, hatte sie nun die Massen für sich begeistern und ihrer Schwester, was den Erfolg anging, endlich das Wasser reichen, wenn nicht sogar sie übertrumpfen können. Als Autorenname, der heute zugegebenermaßen nicht mehr allen bekannt ist, stand Jackie Collins damals für Selbstbewusstsein und Ehrgeiz. Eine der Interviewpartnerinnen in Lady Boss macht deutlich, dass Jackie Collins als Figur für die Privatperson Jackie Zuflucht bot, eine Möglichkeit, voll und ganz sie selbst zu sein. Jackie Collins bedeutete Selbstverwirklichung. Gleichzeitig war sie aber auch eine Fassade, denn in ihren Tagebucheinträgen hält Jackie ihre verletzliche Seite fest. Eine traurige Seite, die mit Verlusten und Rückschlägen zu kämpfen hatte, und auch der Konkurrenzkampf mit ihrer Schwester wird offenbart. Sie wollte sich mit ihrem Autor-Ich eine Hülle zulegen, die so robust war, wie sie es in ihrem Inneren gerne gewesen wäre.
„[Jackie Collins] was my sex education“
Dass Regisseurin Laura Fairrie, die für Lady Boss sogar den Arts Award der Royal Television Society erhielt, schon in ihren Teenager-Jahren eine Begeisterung für Jackie aufbringen konnte, spiegelt sich in ihrer Dokumentation wider. Laura erzählt in einem Interview vom heimlichen Lesen ihrer Romane im Unterricht. Doch auch Laura hielt die Schriftstellerin immer für ein Mysterium, bis sie durch den von Jackies Töchtern entdeckten Nachlass einen Einblick bekam. Sie spricht selbst davon, wie sie nicht vorbereitet war auf die Menge an Archivmaterial, die sie für den Film erhalten hat. Jackie hatte ihr ganzes Leben aufgeschrieben und alles aufbewahrt. So war Laura in ihrer Konzeption der Dokumentation nie auf sich allein gestellt, sondern wurde durchgehend von Jackies Notizen begleitet, genau wie die Zuschauerinnen und Zuschauer. Das gibt ihnen ein gewisses Gefühl von Legitimität, das Wissen, dass die Dokumentation zumindest teilweise in Jackies eigenen Worten verfasst ist. Ein Gefühl, das weiter verstärkt wird durch die sich wandelnde Lesestimme, die zu Beginn der Doku noch eine jüngere ist als zum Ende hin. Fast erzählt Jackie ihre Geschichte selbst, doch leider nur fast.
Am Ende ist Lady Boss: The Jackie Collins Story eine sehr gelungene Dokumentation, die es schafft, Jackie nahbar zu machen, ohne ihr ihren Ikonenstatus zu nehmen. Ein Einblick in ein Leben, das viele andere berührt hat. Wenn überhaupt, steigt die Bewunderung für die Autorin mit jeder Szene.