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Ire­ne Lan­ge­mann: Das Gedächt­nis der Töchter

25.09.2024
20:00
Uhr
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Lesung und Gespräch mit Autorin und Fil­me­ma­che­rin Ire­ne Langemann

Eine Klein­stadt in Sibi­ri­en, 1969. Eisi­ge Käl­te. Die elf­jäh­ri­ge Vera wird von ihren Mitschüler:innen auf einer men­schen­lee­ren Stra­ße ange­grif­fen und als Faschis­tin beschimpft. Tief gede­mü­tigt begibt sich das Mäd­chen auf die Suche nach ihren Wur­zeln. Als ihre Mut­ter Anna sie in die Fami­li­en­ge­schich­te ein­weiht, beginnt für Vera eine Rei­se in die Ver­gan­gen­heit. Ihre Vor­fah­ren, streng­gläu­bi­ge Men­no­ni­ten, sind Anfang des 19. Jahr­hun­derts aus West­preu­ßen nach Russ­land aus­ge­wan­dert, in das Gebiet der heu­ti­gen Ost­ukrai­ne. Vera erfährt die Geschich­te ihrer Fami­lie über sechs Gene­ra­tio­nen, packen­de Lebens­we­ge, die sich durch die Jahr­hun­der­te bis in die Jetzt­zeit spie­geln: vom beschei­de­nen Wohl­stand der from­men Kolo­nis­ten in der Zaren­zeit über unmensch­li­che Ent­beh­run­gen, exis­ten­zi­el­le Not und Dis­kri­mi­nie­rung in der Sowjet­dik­ta­tur bis hin zu den idyl­li­schen Som­mern an der Küs­te Geor­gi­ens in den Siebzigerjahren. 

Das Gedächt­nis der Töch­ter ist die mit­rei­ßen­de Chro­nik einer deut­schen Fami­lie, die ver­sucht, im kri­sen­ge­beu­tel­ten Russ­land Wur­zeln zu schla­gen. Vir­tu­os erklet­tert Ire­ne Lan­ge­mann die Ran­ken des Stamm­baums, folgt wil­den Ver­äs­te­lun­gen und lässt dabei ein eng gewo­be­nes Geflecht aus Ver­gan­gen­heit und Zukunft ent­ste­hen. Ein tief bewe­gen­der Roman über das Suchen nach Iden­ti­tät in der Frem­de, über die vie­len Facet­ten von Ein­sam­keit und die immer neu zu schöp­fen­de Kraft, sie zu überwinden.

„Es ist ein so packen­des wie erschüt­tern­des Sinn­bild – das kol­lek­ti­ve Trau­ma die­ser Volks­grup­pe. Packend, weil man trotz all der geschil­der­ten Grau­sam­kei­ten das Buch nicht weg­le­gen kann und will, weil einem die Figu­ren so ans Herz wach­sen.“ (Jona­than Böhm, SWR 2)

Ire­ne Lan­ge­mann, 1959 in Issil­kul (Sibi­ri­en) gebo­ren, wuchs zwei­spra­chig in einer deut­schen Fami­lie auf. Sie ging mit 17 nach Mos­kau, stu­dier­te Schau­spiel­kunst und Ger­ma­nis­tik und arbei­te­te als Autorin, Schau­spie­le­rin und Mode­ra­to­rin. 1990 wan­der­te sie nach Deutsch­land aus. Seit­dem lebt sie in Köln und arbei­tet als Autorin und Regis­seu­rin für Film und Fern­se­hen. Ihre Doku­men­tar­fil­me wur­den mit zahl­rei­chen inter­na­tio­na­len Prei­sen ausgezeichnet.